«Street Photography» in der Schweiz.

Wissenswertes

Zwischen Kunst, Gesetz und Grauzone.


Street Photography ist eine beliebte Kunstform, bei der das Leben auf der Strasse in spontanen Momentaufnahmen dokumentiert wird. Doch was in anderen Ländern als kreative Freiheit gilt, ist in der Schweiz rechtlich komplex. Was ist Legal? Wo beginnt die Grauzone – und wann wird es eindeutig illegal?

Öffentlichkeit ≠ Recht auf Veröffentlichung

In der Schweiz gilt zwar: Wer sich in der Öffentlichkeit aufhält, muss grundsätzlich damit rechnen, gesehen – und möglicherweise auch fotografiert – zu werden. Doch das bedeutet nicht automatisch, dass diese Fotos veröffentlicht oder verbreitet werden dürfen.

Laut Art. 28 ZGB (Zivilgesetzbuch) und Art. 179 ff. StGB (Strafgesetzbuch) steht jeder Person das Recht am eigenen Bild zu. Das heisst: Wer eine identifizierbare Person fotografiert und die Bilder veröffentlicht, braucht in der Regel deren Zustimmung. Dabei reicht oft schon eine Veröffentlichung auf Social Media als Verbreitung aus.


Die «stille Zustimmung»

Ein zentraler Begriff im Kontext der Streetphotography ist die sogenannte «stille Zustimmung». Diese wird angenommen, wenn sich eine Person offensichtlich fotografieren lässt – etwa wenn sie in die Kamera schaut, posiert oder nicht widerspricht, obwohl sie den Fotografen bemerkt hat. Diese Zustimmung ist jedoch rechtlich unsicher und kann jederzeit widerrufen werden.


Legal ist es,

  • wenn keine identifizierbaren Personen abgebildet sind,
  • wenn die Personen nur Beiwerk in einer grösseren Szenerie darstellen (z. B. Menschenmengen bei einem Umzug),
  • wenn eine ausdrückliche Zustimmung zur Veröffentlichung vorliegt oder stillschweigende Zustimmung (siehe oben: die «stille Zustimmung»).


In der Grauzone bewegt man sich,

  • wenn Personen erkennbar, aber nicht zentral dargestellt sind,
  • wenn unklar ist, ob eine Zustimmung zur Veröffentlichung besteht,
  • bei künstlerischer, dokumentarischer oder journalistischer Nutzung mit möglichem öffentlichen Interesse.


Illegal wird es,

  • wenn Personen gezielt porträtiert werden und keine Zustimmung zur Veröffentlichung vorliegt,
  • wenn jemand heimlich oder in kompromittierender Weise fotografiert wird,
  • wenn Persönlichkeitsrechte klar verletzt werden.


Gesellschaftlicher Widerspruch


Ein interessanter – und oft übersehener – Aspekt ist der Widerspruch zwischen öffentlicher Ablehnung und kultureller Anerkennung von Street Photography. Viele Menschen möchten sich heute nicht fotografieren lassen, besuchen aber Ausstellungen von berühmten Streetfotografen wie Henri Cartier-Bresson, Vivian Maier oder Robert Frank – und bewundern ihre Werke.

Hätten die Pionier:innen der Street Photography sich damals strikt an heutige Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte halten müssen, gäbe es viele ikonische Bilder der Zeitgeschichte schlicht nicht. Gerade diese Fotografien haben aber wesentlich zur visuellen Erinnerungskultur beigetragen.

Die Frage bleibt: Wie kann man diesen Widerspruch zwischen individuellem Schutzbedürfnis und gesellschaftlichem Interesse an dokumentarischer Fotografie lösen?

Ob man sich als Fotograf mit einer Aufnahme in eine rechtliche Grauzone begeben möchte oder nicht, bleibt letztlich eine persönliche Entscheidung – ebenso wie die Frage, was man als ethisch verantwortbar empfindet.

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